Dr. Herbert Butz:


Erwin Wickert und die Gesellschaft für Ostasiatische Kunst


  Deutsche Diplomaten trugen von Anfang an ganz wesentlich zur Erfolgsgeschichte der Gesellschaft für Ostasiatische Kunst, des Fördervereins der Berliner Ostasiatischen Kunstsammlung bei. 1 Sie spielten zudem eine wichtige Rolle im Hinblick auf die Entstehung und Mehrung der Sammlungsbestände. Die Geschichte der Gesellschaft teilt sich in zwei Zeiträume – jenen von der Gründung im Jahre 1926 bis zur Auflösung in der Nachkriegszeit (1955) und jenen seit dem gelungenen Neubeginn im Jahre 1990, bei der Erwin Wickert die treibende Kraft war. Als Vorsitzender leitete er sie in den Anfangsjahren mit großem Engagement und legte auch den Grundstein für die Wiederbegründung der renommierten Ostasiatischen Zeitschrift.

  Die Liebe zur Kunst und die Fürsorge für die Sammlungen unter deutschen Diplomaten reicht dabei schon weiter zurück und Erwin Wickert steht hier in einer langen Tradition. Bereits in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts erwarb der Diplomat Max von Brandt (1835 - 1920) in Japan und China in großem Stil Kunstwerke für Berliner Museen und Bibliotheken. 2 Über diesen Zweig seiner Bemühungen schreibt von Brandt in seinen dreibändigen Erinnerungen von 1901 wie folgt: „Eine andere Richtung meiner Thätigkeit, die ich nicht als eine amtliche bezeichnen möchte, obgleich sie mit der Entwicklung eines Zweiges der deutschen Industrie in engem Zusammenhange stand, war die Vermittlung der Kenntnis des ostasiatischen Kunstgewerbes. Ich war in der Beziehung ganz besonders begünstigt, da ich Japan in einer Zeit kennen lernte, in der es noch nicht von Kuriositätenjägern überlaufen war, und auch früh genug nach China kam, um dort einige Zweige des Kunstgewerbes zu finden, die von anderen Sammlern übersehen oder nicht genügend beachtet worden waren.“ Max von Brandt verbrachte 33 Jahre in Ostasien und war zum Ende seiner Karriere zwischen 1875 und 1893 als Gesandter und hochgeschätzter Doyen des diplomatischen Korps in Peking tätig. Von Brandt zählte zu den besten Ostasienkennern seiner Zeit und steht am Anfang einer ganzen Reihe von deutschen Diplomaten, die auf Posten wachen Auges für die Kunst und Kultur in den Ländern waren, in denen sie dienten.

  Die Anfänge der Gesellschaft für Ostasiatische Kunst in Berlin gehen auf den legendären ‚Museumsgeneral’ Wilhelm von Bode zurück, der Otto Kümmel (1874 - 1952), den Direktor der 1906 gegründeten Ostasiatischen Kunstsammlung, schon sehr früh anspornte, die Gründung eines Museumsvereins zu betreiben, die 1926 erfolgte. Der Gründungsaufruf trug klangvolle Namen. Neben Wilhelm von Bode u.a. jene von Max Liebermann, Emil Orlik, dem Staatsminister Carl Heinrich Becker, dem Sinologen Otto Franke, dem Schauspieler Paul Wegener, von Gustav Krupp von Bohlen und Halbach, Paul von Mendelssohn-Bartholdy sowie auch Exzellenzen der fernöstlichen Diplomatie.





  Zum 1. Vorsitzenden wurde Wilhelm Solf (1862 - 1936), der deutsche Botschafter in Tokyo, gewählt. Er sollte das Amt von 1926 bis zu seinem Tode im Jahre 1936 innehaben. Solf war von 1920 bis 1928 Botschafter in Japan, von 1929 bis 1934 war er auch Präsident des im Berliner Stadtschloss untergebrachten Japaninstituts. Er war ein leidenschaftlicher Sammler japanischer Holzschnitte aus der letzten Periode der japanischen Holzschnittkunst bis hin zur Moderne, von denen zahlreiche heute in der Berliner Ostasiatischen Kunstsammlung aufbewahrt werden. Nachfolger wurde 1936 Herbert von Dirksen (1882 - 1955), deutscher Botschafter in Japan von 1933 bis 1938. Auch er war Sammler mit dem Schwerpunkt auf chinesischer Keramik.3

  Mit verwandten Institutionen in Deutschland wie etwa dem China-Institut in Frankfurt arbeitete die Gesellschaft freundschaftlich zusammen.

  Ihre größten Erfolge verzeichnete die sie mit einer Reihe glanzvoller Ausstellungen, die sie gemeinsam mit der Akademie der Künste veranstaltete.

  Drei Jahre nach der Gründung veranstaltete sie die Epoche machende große Ausstellung Chinesischer Kunst am Pariser Platz Nr. 4, die Max Liebermann als Präsident der Akademie eröffnete. Nahezu 60.000 Besucher sahen die Ausstellung, die Max Liebermann als das bedeutsamste Ereignis des Jahres 1929 bezeichnete.

  Das Echo auf die große China-Ausstellung und ihr überwältigender Erfolg bescherten der Gesellschaft reichen Zuwachs an Mitgliedern. Die Gesellschaft hatte bereits vor der Ausstellung ein geradezu phänomenales Wachstum mit rasch steigenden Mitgliederzahlen erlebt, darunter viele Mitglieder des jüdischen Großbürgertums und war ein gelebtes und glänzendes Beispiel einer überaus erfolgreichen deutsch-jüdischen Symbiose. Bald nach dieser Ausstellung wuchs die Mitgliederzahl der Gesellschaft auf über 1200 an.

  Weiterhin veranstaltete sie 1937 gemeinsam mit der Nationalgalerie eine Ausstellung chinesischer Gemälde der Gegenwart aus der Sammlung eines seiner prominenten Mitglieder aus der Diplomatie, des Botschafters Dr. Oskar Trautmann im Prinzessinnen-Palais, Berlin, Unter den Linden. Oskar P. Trautmann (1877 - 1950), sammelte während seiner Amtszeit als deutscher Botschafter in China bis 1937 frühchinesische Bronzen und chinesische Malerei. Eine kleine Gruppe glanzvoller Bronzen aus seiner Sammlung befindet sich heute in der Ostasiatischen Kunstsammlung.

  Die letzte große Ausstellung des Museums war auch die vielleicht kunsthistorisch bedeutendste. Sie fand 1939 im Deutschen Museum (heute Pergamonmuseum) auf der Museumsinsel statt und zeigte "Altjapanische Kunst". Die Ausstellung wurde veranstaltet mit Unterstützung der kaiserlich japanischen Regierung, der Gesellschaft für Ostasiatische Kunst und dem Generaldirektor der Staatlichen Museen. Unter den 126 Exponaten befanden sich nicht weniger als 29 Nationalschätze (jap. kokuho). Mit 70.000 Besuchern war sie wiederum außerordentlich erfolgreich.

  Zu den Hauptaktivitäten der Gesellschaft zählte neben von ihr veranstalteten Ausstellungen auch die Herausgabe der Ostasiatischen Zeitschrift, dem unangefochtenen Sprachrohr auf dem Feld der ostasiatischen Kunstgeschichte, die im Januar 1929 zum Organ der Gesellschaft wurde und in zweimonatlicher Folge erschien. 1943 wurde ihr Erscheinen eingestellt. Seit dem Jahre 2000 erscheint sie wieder in neuer Form, jeweils im Frühjahr und im Herbst. Die Grundlagen für ihr Wiederaufleben sollte Erwin Wickert legen.





  Die Liebe zur Kunst und zum Sammeln war – wie eingangs bereits geschildert – unter deutschen Diplomaten auf ihren Posten in Ostasien verbreitet. So konnte etwa auch Ernst-Günther Mohr (1904 – 1991), der nach dem 2. Weltkrieg als Botschafter in der Schweiz und Argentinien wirken sollte, als junger Diplomat in den dreißiger Jahren in China eine Reihe wichtiger Kunstobjekte erwerben. Sie kamen nach seinem Tode als „Stiftung Botschafter Dr. Ernst-Günther Mohr“ in die Sammlung der Berliner Ostasiatischen Kunstsammlung. Auch Hans Bidder (1897 – 1963) sammelte im Laufe seiner diplomatischen Tätigkeit in China vor dem 2. Weltkrieg mit Leidenschaft und forschendem Interesse. 4 Er brachte eine bedeutende Sammlung von sogenannten ‚Ordosbronzen‘ zusammen, Nomadenkunst, die überwiegend aus dem ersten Jahrtausend v. Chr. stammte. Sie konnten 1965 für das Museum für Ostasiatische Kunst erworben werden. Die zweite Sammelleidenschaft von Hans Bidder galt den Teppichen Ostturkestans, bei deren Aufspüren er auf die Unterstützung seines Freundes, des bekannten Teppich- und Antiquitätenhändlers Sammy Yukuan Lee (1902 - 2011) zählen konnte. Die lange Jagd nach einem Prunkstück schildert Bidder in einem posthum erschienenen Werk. Dieser ‚Yarkand-Teppich’ befindet sich heute im Ethnologischen Museum in Dahlem. Mit Sammy Lee war auch Erwin Wickert, der ebenfalls für Teppiche eine Leidenschaft hegte, schon als 25-jähriger in Peking gut bekannt. 5 Lee hatte ihm wie Erwin Wickert in seinen Erinnerungen schreibt ‚die Augen für die hohe Kunst des Teppichs geöffnet‘. In der Kriegszeit in Japan sammelte Erwin Wickert mit Vorliebe japanische Holzschnitte und hatte sich auf Blätter hoher Qualität von Hokusai und Hiroshige spezialisiert. 6 Leider ging diese Sammlung, die bedeutend gewesen sein muss, am Berliner Museum vorbei. Denn als ein Kunsthändler in London Erwin Wickert nach dem Kriege einen Preis dafür bot, den er ‚in dieser Höhe nie erwartet hatte‘, verkaufte er die Sammlung und tauschte sie gegen ein Grundstück am Lago Maggiore, auf dem er ein Ferienhaus baute, das dem Literaten als Fluchtpunkt und der Familie als Feriendomizil dienen sollte.

  Eine herausragende Rolle bei der Wiederbegründung der Gesellschaft nach dem 2. Weltkrieg – quasi als leibhaftiges Bindeglied zur Vorkriegsgeschichte des Museums und seines Fördervereins - spielte Leopold Reidemeister (1900 - 1987). Seit 1924 war er an der Ostasiatischen Kunstsammlung tätig gewesen und nach dem Kriege von 1957 bis 1964 Generaldirektor der Staatlichen Museen und Direktor der Nationalgalerie. Um ihn, dem eigentlichen Wiederbegründer des Museums für Ostasiatische Kunst nach dem Kriege, der 1959 Roger Goepper als ersten Nachkriegsdirektor nach Berlin holte, scharte sich in den späten 60er Jahren ein kleiner Kreis von Sammlern und Liebhabern ostasiatischer Kunst, der sich dem im Wiederaufbau befindlichen Museum verbunden fühlte.

  Leopold Reidemeister war es auch, der mit dem Restvermögen der 1955 aus dem Vereinsregister gestrichenen Gesellschaft für Ostasiatische Kunst, erste Erwerbungen für das dann 1970 in Dahlem eröffnete Museum tätigte.

  Am 6. Dezember 1990 konnte schließlich die Gesellschaft von 17 Gründungsmitgliedern mit dem auf Wunsch von Erwin Wickert leicht modifizierten Namen ‚Deutsche Gesellschaft für Ostasiatische Kunst’ wiederbegründet werden. Erwin Wickert wurde 1. Vorsitzender des sechsköpfigen Vorstandes, unterstützt von einem Kuratorium. Am 17. Juni 1991 fand im Museum für Ostasiatische Kunst die 1. ordentliche Mitgliederversammlung statt. Für die Mitglieder wurde ein regelmäßig stattfindender monatlicher Jour fixe eingerichtet, der in den zuvor bereits in lockerer Form existierenden Treffen des Sammlerkreises eine gute Tradition hatte. Für uns Museumsleute waren die Besuche Erwin Wickerts in Dahlem eine Quelle der Inspiration. Gerne erinnere ich mich auch an lebhafte Gespräche im Dahlemer Alten Krug im Anschluss an Vereinssitzungen, in denen Erwin Wickert mit leidenschaftlicher Rede von seinen Plänen und Ideen für die Gesellschaft und über die geplante Wiederbegründung der Zeitschrift sprach.





  Am 2. Juli 1992 fand dann auch in Tôkyô die Gründungsversammlung der Japanisch-Deutschen Gesellschaft für Ostasiatische Kunst statt, deren einziges Ziel nach den Statuten die Unterstützung der Deutschen Gesellschaft für Ostasiatische Kunst und die Wiederbelebung der Ostasiatischen Zeitschrift darstellte. Vorsitzender wurde der frühere japanische Botschafter in Bonn, Yasushi Miyazawa, Bruder des damaligen japanischen Premierministers. An dem Gründungsempfang in Tokyo nahmen neben Yasushi Miyazawa der deutsche Botschafter in Japan, Willi Haas, Erwin Wickert als Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Ostasiatische Kunst und der stellvertretende Vorsitzende und Direktor des Museums für Ostasiatische Kunst, Willibald Veit teil. Im Tokyo Metropolitan Teien Art Museum nahm Erwin Wickert auch an der glanzvollen Eröffnung einer Wanderausstellung des Museums für Ostasiatische Kunst mit Meisterwerken chinesischer und japanischer Kunst teil, die mit großem Erfolg an fünf japanischen Stationen gezeigt wurde, u.a. auch im Kyoto Nationalmuseum.

  Seit März 1992 bis Oktober 2000 erschienen dann zunächst die Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Ostasiatische Kunst in vierteljährlicher Folge, denen anfangs ein Geleitwort von Erwin Wickert vorangestellt war und zu denen er eigene Beiträge und Analysen beisteuerte. So ging er auch eingehend auf das Thema „Beutekunst“ und die Frage der Rückführung ein, war dies doch für die Sammlung des Museums von besonderem Gewicht, da rund 90 % der Vorkriegsbestände nach Russland verbracht worden waren und sich auch heute noch immer dort befinden. Erwin Wickert konnte den stellvertretenden Leiter der Kulturabteilung des Auswärtigen Amtes, Horst Schirmer, der an den deutsch-russischen Verhandlungen über die Rückführung von Kulturgütern in Dresden im Februar 1993 teilgenommen hatte, für einen Vortrag vor dem Kuratorium der Deutschen Gesellschaft für Ostasiatische Kunst zu diesem Thema gewinnen.

  Die Mitteilungen gingen dann nach der glanzvollen Wiedereröffnung des Museums im Oktober 2000 in der wiederbegründeten 'Ostasiatischen Zeitschrift' auf, die mittlerweile bereits im 15. Jahr erscheint und auf deren Erscheinen Erwin Wickert mit großer Tatkraft vorbereitend gewirkt hatte. Am 6. Dezember 2015 jährt sich die Wiederbegründung der Gesellschaft zum 25. Male und es ist ein gutes Omen, dass dies im Jahre des 100. Geburtstages von Erwin Wickert, ihrem Gründungsvorsitzenden stattfinden kann. Seit November 2006 wird die Gesellschaft von Mayen Beckmann geleitet und zählt heute bereits wieder rund 430 Mitglieder. Bei der Jubiläumsfeier im Dezember wird sie auch an Erwin Wickert erinnern, dessen Stimme und dessen Einsatz sie den erfolgreichen Neuanfang verdankt.



Fußnoten

   1 Zur Geschichte der Ostasiatischen Kunstsammlung s. Herbert Butz, Wege und Wandel. 100 Jahre Museum für Ostasiatische Kunst. Mit Beiträgen von Wolfgang Klose und Hartmut Walravens. Berlin: Museum für Ostasiatische Kunst 2006, mit weiterer Literatur. Zur Geschichte der Gesellschaft für Ostasiatische Kunst s. Patrizia Jirka-Schmitz „Die Gesellschaft für Ostasiatische Kunst (1926-1955)“. In: Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Ostasiatische Kunst, Nr. 2 (Oktober 1992) S. 1-11.

   2 S. Herbert Butz „Max von Brandt. Ein Diplomat als Sammler chinesischer Kunst. Das Museum für Ostasiatische Kunst zu Gast im Kunstgewerbemuseum“. In: Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Ostasiatische Kunst, Nr. 29 (April 2000), S 3-15

   3 S. Carolin Reimers: Dr. Herbert von Dirksen. Ein deutscher Botschafter als Sammler ostasiatischer Kunst, in: Ostasiatische Zeitschrift, N.S. Nr 1, Frühjahr 2001, S. 22-32.

   4 S. Herbert Butz „Ein Diplomat als Sammler chinesischer Kunst – Hans Bidder“. In: Mayke Wagner und Herbert Butz, unter Mitarbeit von Judith Ehrmann und Michaela Eckardt, Nomadenkunst: Ordosbronzen der Ostasiatischen Kunstsammlung. Mainz: Verlag Philipp von Zabern 2007 (Eurasien-Abteilung des Deutschen Archäologischen Instituts: Archäologie in Eurasien Band 23), S. XI-XIV.

   5 S. Erwin Wickert: Die glücklichen Augen. Geschichten aus meinem Leben. Stuttgart/München: Deutsche Verlags-Anstalt 2001, S. 465f.

   6 S. Wickert a.O. S. 397


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