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Erwin Wickert (1915-2008)

Erwin Wickert wurde 1915 in Bralitz/Brandenburg geboren. Er besuchte das Gymnasium in der Lutherstadt Wittenberg. Als Gymnasiast war er neun Monate lang Anwärter der SA. Er lehnte den Eintritt wegen seinen Vorbereitungen zum Abitur im März 1934 ab. Das kostete ihn mehrere Runden Bier (Stiefel!)

Er verdiente sein Studium durch schriftstellerische Tätigkeit. Fünfzehn Tage vor Verkündung der “Nürnberger Rassen-Gesetze” veröffentlichte er u.a. mit dem Chefredakteur der wöchentlich erscheinenden Arbeiterzeitschrift “Der Aktivist” einen Artikel gegen die Judenhetze. Die Zeitschrift wurde verboten. 1937 trat er der Reichsschriftumkammer bei. Diese verbot aber 1941 den Vertrieb seines Romans “Die Adamowa”, in dem er den Machtmißbrauch von Parteifunktionären schilderte. Ein spannend geschriebenes Buch; es weckt Assoziationen zu den Krimis seines Sohnes, des Ex-Tagesthemen Moderators Ulrich Wickert.

Erwin Wickert studierte Kunstgeschichte, Philosophie und Zeitungswissenschaften in Berlin und Heidelberg. Am Dikinson College, Carlyle/Pensilvania/USA bestand er 1936 den Bachelor of Arts ab und reiste als Hobo, blinder Passagier auf Güterzügen, an die amerikanische Westküste; von dort dann per Schiff über Japan, Mandschukuo und China nach Deutschland zurück.

Nach der Promotion 1939 in Heidelberg stellte ihn das Auswärtige Amt in der Rundfunkabteilung ein. Da er zur Untermiete bei einer deutsch-jüdischen Familie mit Tochter wohnte, drängte die NSDAP Wickert wegen der “Gefahr der Rassenschande” auszuziehen und der Partei beizutreten. Er trat der Partei bei, blieb aber wohnen, bis ihn das Auswärtige Amt 1940 als Rundfunkattaché nach Shanghai schickte. Dort geriet er in den Streit zwischen Reichspropagandaministerium und Auswärtiges Amt über die Öffentlichkeitsarbeit im Ausland. Der örtliche NSDAP-Landesgruppenführer, der die parteipolitische Linie von Joseph Goebbels vertrat, überwarf sich bald mit Wickert und forderte in der Berliner NSDAP-Zentrale die sofortige Rückversetzung an. Wickert wurde aber von Erich Kordt, Widersacher gegen Ribbentrop und Hitler, an die Botschaft in Tokio geholt.

Nach dem Krieg lebte Erwin Wickert mit Familie in Heidelberg und gewann rasch ein Renommée als Hörspielautor. 1952 erhielt er den „Hörspielpreis der Kriegsblinden“ für das Hörspiel: “Darfst Du die Stunde rufen?” Er sprach darin das Thema Euthanasie an. Von 1955-1961 schickte ihn das Bonner Auswärtige Amt an die NATO-Delegation in Paris. Er wehrte sich gegen die NATO-Strategie, einen möglichen Angriff der Roten Armee mit Atomwaffen aufzuhalten. Dadurch würde die Bevölkerung auf beiden Seiten des geteilten Deutschlands getroffen. Von 1961-1968 leitete er das Referat Strukturen des Ostblocks in Bonn. Unter Außenminister Gerhard Schröder, CDU, schrieb er am 25.März.1966 die Friedensnote. Sie ist das erste amtliche Dokument zur Bonner Ostpolitik. Die darin enthaltenen außenpolitischen Vorschläge Erwin Wickerts führten bereits 1968 zum Atomwaffensperrvertrag und in den 1970er Jahren zum Austausch von Manöverbeobachtern zwischen West- und Ostblock (KSZE). Langfristig ebneten sie den Weg zur Wiedervereinigung.

1968-71 war er Gesandter in London und von 1971-76 Botschafter in Bukarest. Nach Maos Tod schickten ihn Außenminister Hans-Dietrich Genscher und Bundeskanzler Helmut Schmidt als Botschafter (1976-1980) nach Beijing. Er stellte die deutsch-chinesischen Beziehungen auf eine neue Basis.

Erwin Wickert spielte als Kritiker von Ex-Außenminister Josef Fischer, 1998-2005, eine zentrale Figur in der “Nachrufaffaire”, in der dieser pauschal ehemaligen NSDAP-Mitgliedern unter Diplomaten keinen ehrenden Nachruf im Amtsblatt des Auswärtigen Amts zubilligen wollte. Ranghohe Diplomaten hatten Fischer in den Medien als „unfähig“ deklariert. Die Außenminister Josef Fischer und Frank W. Steinmeier, 2005-2009, förderten mit ca. 1,5 Millionen € Steuergeldern eine „unabhängige“ Historikerkommission, die fälschlicherweise behauptete, dass die ehemaligen Ribbentrop-Diplomaten, die das Bonner Außenministerium nach dem Zweiten Weltkrieg aufbauten, weiterhin eine nationalsozialistische Außenpolitik betrieben hätten. Das Gegenteil war der Fall. Die Bonner Außenpolitik war eng mit den NATO-Verbündeten abgesprochen. So wurde Wickerts Ablehnung eines Atomschlags gegen die Rote Armee auf dem Außenministertreffen in Kopenhagen diskutiert und abgelehnt. Die NATO-Bündnispartner, die Regierungen in London, Paris und Washington halfen Wickerts „Friedensnote“ im Ostblock und im Nahen Osten zu verteilen. Die Bundesregierung hatte wegen Hallsteindoktrin ihre diplomatischen Beziehungen zu den Staaten abgebrochen, die die DDR anerkannt hatten.
Unter Diplomaten entstand intern eine Diskussion über die Bestechlichkeit von „unabhängigen“ Historikern und Politikern als Nestbeschmutzer.

Nach der Wiedervereinigung traf Erwin Wickert sich gelegentlich mit ehemaligen Kollegen aus dem DDR-Außenministerium, z.B. Botschafter Hans Voß, den er aus seiner Zeit in Bukarest kannte.

Erwin Wickert hat zahlreiche Hörspiele, Romane und Sachbücher geschrieben. Er hat sich sein Leben lang mit der Antike des Abendlandes und der Kultur Chinas und Japans auseinandergesetzt. Sein Hauptthema war der politische Machtmissbrauch, z.B.: John Rabe, Der Auftrag des Himmels, Der Purpur, Alkestes, Caesar und der Phoenix, Dramatische Tage in Hitlers Reich, Der Verrat von Ottawa, Das Klassenzimmer, Darfst Du die Stunde rufen?




Auszeichnungen

Hörspielpreis der Kriegsblinden (1952)
Großes Bundesverdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland (1980)
Staatspreis des Landes Rheinland-Pfalz (1992)

Romane und Sachbücher

Fata Morgana über den Straßen, Leipzig 1938
Das Paradies im Westen, Stuttgart 1939
Das Tier in der neueren deutschen Kunst, Dissertation, Heidelberg 1939
Die Adamowa, Stuttgart 1940; der Vertrieb dieses Buch wurde von der Reichsschrifttumkammer verboten, da es den Machtmißbrauch von Parteifunktionären diskutierte
Du mußt dein Leben ändern, Stuttgart 1949
Dramatische Tage in Hitlers Reich, Stuttgart 1952, eine dreiteilige Hörfunk-Sendung über das Dritte Reich; ein sog. Straßenfeger, zu der Zeit gab es noch kein Fernsehen.
Die Frage des Tigers, Gütersloh 1955
Cäsar und der Phönix, Stuttgart 1956
Hiroshima, Weinheim 1959
Hitlers Machtergreifung, 1959
Jahre des Wahns, 1959
Der Klassenaufsatz. Alkestis, Stuttgart 1960
Robinson und seine Gäste, Hamburg 1960
Der Auftrag, Stuttgart 1961
Der Auftrag des Himmels, Stuttgart 1981
The Heavenly Mandate, London1963
Der Purpur, Stuttgart 1965
China in der Wandlung, Düsseldorf 1979
China von innen gesehen, Stuttgart 1982
Vom politischen Denken der Chinesen, Wiesbaden 1983
Der verlassene Tempel, Stuttgart 1985
Chinas wirtschaftliche Reformen, Düsseldorf 1986
Der Kaiser und der Großhistoriker, Stuttgart 1987
Der fremde Osten, Stuttgart 1988
Knut Hamsun und die Große Konferenz von Chang'an, Stuttgart 1988
Mut und Übermut - Geschichten aus meinem Leben. Stuttgart 1991, ISBN 3-421-06614-0. Erster Teil der Autobiographie
Sonate mit dem Paukenschlag und sieben andere unglaubliche Geschichten, Stuttgart 1993
Von der Wahrheit im historischen Roman und in der Historie, Wiesbaden 1993
Zappas oder Die Wiederkehr des Herrn, Stuttgart 1995
John Rabe. Der gute Deutsche von Nanking, Stuttgart 1997
Die glücklichen Augen - Geschichten aus meinem Leben, Stuttgart 2001
Konfuzius, Stuttgart 2001
Das Gipfelgespräch, Stuttgart 2003
Das muss ich Ihnen schreiben. Beim Blättern in unvergessenen Briefen. München 2005

Hörspiele:

Lot und Lots Weib
Die kühne Operation
Alkestis
Darfst du die Stunde rufen? Regie: Walter Knaus,1951; das Hörspiel behandelte die Frage, ob ein an einem Carcinom erkrankter Mensch sein Leben selbst beenden darf; weckte damals die Erinnerung an die Euthanasie-Programme der Nationalsozialisten. Zahlreiche Familien waren betroffen - Hörspielpreis der Kriegsblinden 1952
Der Verrat von Ottawa
Skandal im Envoy Hotel
Das Buch und der Pfiff
Der Klassenaufsatz

Der politische und literarische Nachlass:

Der politische Nachlass Erwin Wickerts liegt bis zum Jahr 2015 im Bundesarchiv, Koblenz. Dr. Josef Henke, Mitarbeiter des Bundesarchivs, hat den Nachlass geordnet und in einem Findbuch übersichtlich zusammengestellt.

Der literarische Nachlass ist im im Literaturarchiv Marbach einzusehen. Ein Findbuch ist nicht verfügbar.


Botschafter und Autor Erwin Wickert (1915-2008) gründete die Erwin Wickert Stiftung im Jahr 1997. Ziel und Zweck der Stiftung lautet, die wissenschaftliche Aufarbeitung und Auswertung des literarischen Werkes und Nachlasses, des politischen Nachlasses, der Biographie und der Korrespondenz Erwin Wickerts sowie die Förderung des Verständnisses zwischen Ostasien und dem Westen.

Die Stiftung vergibt in unregelmäßigen Abständen den Orient- und Okzident-Preis. Der erste Preis wurde an den New Yorker Star-Architekten Yeoh Ming Pei in Luxemburg verliehen. Als zweiter Preisträger ist Daniel Koerfer, Professor für Politik und Zeitgeschehen an der Freien Universität Berlin, vorgesehen. Er hat in langjährigen Forschungsarbeiten das wissenschaftliche Bild der deutschen Diplomatie geprägt und sowohl die Rolle Erwin Wickerts als Diplomat und Botschafter in Ostasien als auch als Kritiker von Ex-Außenminister Josef Fischer in der “Nachrufaffaire” hervorgehoben. Professor Koerfer wird den Preis zum hundertsten Geburtstag des Stifters, am 7. Januar 2015, im Internationalen Club, Berlin, entgegen nehmen.

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